Der Expertenbericht hat die bisherigen Aussagen von Alpiq und Co. als unhaltbare und die Öffentlichkeit irreführende Darstellung der Tatsachen entlarvt.

Die Kommission muss nun ihre Arbeit weiterführen und die in dieser Stellungnahme aufgeführten Aspekte mit in die Abklärungen einbeziehen.

In jedem Falle muss auch die Situation im Oberwallis näher untersucht werden. Wer die Übung jetzt abbricht, schadet den Interessen des Kantons Wallis.

Vorbemerkungen

Der Bericht liegt nur in einer „version non définitive“ vor. Der Bericht liegt nicht in zwei Sprachen vor. Die einzelnen Kapitel sind offenbar in der Sprache des jeweils intern zuständigen Professors verfasst. Eine klare Linie ist nicht sichtbar.

Alle von uns formulierten und hinterlegten Vorschläge für eine wissenschaftlichen und politischen Ansprüchen genügende Arbeitsweise wurden nicht berücksichtigt.

Das Resultat spiegelt die Schwierigkeiten dieses Prozesses.

Kritikpunkt 1: Keine neue Netzkonfiguration

Wir haben immer wieder gefordert, dass die Experten national und international prüfen, ob es keine intelligentere Netzkonfiguration gibt. Schlicht und einfach, weil auf dieser Ebene das grösste Optimierungspotential vorhanden ist.

Es ist unsinnig, dass der Strom aus dem Mittelwallis bei seiner Reise nach Italien den Umweg über den Nufenen und Airolo nimmt, um in Turbigo wieder eingespeist zu werden.

Kürzere Stichleitungen würden die Baukosten und die Stromverluste vermindern. Entsprechende Vorabklärungen von privater Seite sind am Laufen. Dies führt zu einem teuren Flickwerk, weil unkoordiniert zu teure Kapazitäten geschaffen werden. Das Netz ist ein natürliches Monopol und muss als solches effizient erstellt, finanziert und betrieben werden.

Die Experten haben unter Zeitdruck auf diese Optimierungsmöglichkeit verzichtet.

Da die zuständige Bundesrätin sich noch weigert, eine neue Netzkonfiguration studieren zu lassen, wird sich früher oder später eine nationale Volksinitiative aufdrängen.

Kritikpunkt 2: Swissgrid Berechnungen in eigener Sache

Swissgrid ist nichts anderes als das neue Büro der bisherigen Überlandwerke. Diese haben in der Vergangenheit flächendeckend in der Schweiz Unwahrheiten über die Kosten der Erdverlegung verbreitet. Deshalb gewann die Gemeinde Riniken vor dem Bundesgericht.

Wer nicht in der Lage ist, die Kosten von Erdverlegungen richtig zu berechnen, ist absehbar auch nicht in der Lage, ein historisch verwachsenes Netz für das Zeitalter nach dem Ausstieg aus der Atomenergie zu berechnen und neu zu konzipieren.

Alle Netzberechnungen wurden aus Zeitgründen von den Experten auftragswidrig nicht selber durchgeführt, sondern an Swissgrid delegiert.

Im Rahmen der Studie werden Axpo, Alpiq, BKW und Co. zum Gärtner gemacht. Dieses Vorgehen ist unhaltbar.

Nichts belegt dies besser als der Umstand, dass Swissgrid in ihren Grafiken je nach Jahreszeit die Engpässe immer wieder an anderen Schwachstellen im Wallis ortet.

Kritikpunkt 3: Verzicht auf Prüfung von Gleichstromleitungen

Die Gleichstromtechnologie macht grosse Fortschritte. Die Umrichter werden kleiner, billiger und verursachen immer weniger Stromverluste.

Diese Technologie eignet sich gut, um weiter auseinanderliegende Produktions- und Verbraucherpunkte miteinander effizient und umweltschonend unterirdisch mit Kabeln zu verbinden.

Weil man sich im Rahmen der Arbeit nur auf einen 30 Kilometer langen Abschnitt konzentrierte, fiel das sorgfältige Studium dieser Variante aus den Traktanden.

Kritikpunkt 4: Kein Studium von Tunnellösungen

Kann man den noch nicht gebauten Sicherheitsstollen am Grossen St. Bernhard so konzipieren, dass man in diesem eine Gleichstrom-Leitung Richtung Italien verlegen kann?

Gibt es vergleichbare Möglichkeiten im Rahmen des Umbaues des Simplontunnels?

Hier wäre eine vertiefte Prüfung durch die Experten notwendig gewesen. Stattdessen wurde diese Teilfrage – gemäss den uns zur Verfügung stehenden Informationen – durch Swissgrid durchgeführt. Und durch Swissgrid versenkt.

Trotzdem insgesamt ein riesiger Fortschritt

Bei aller berechtigten Kritik an dem zu engen Mandat der Experten hat deren Arbeit ein kleines Erdbeben ausgelöst.

Mit vertretbarem Aufwand kann man zwischen Chamoson und Chippis die heutigen Leitungen in die Erde verlegen. Dies muss jetzt als erstes angepackt werden.

 

Schritt 1: Erdverlegung zwischen Chamoson und Chippis

Die Alpiq steht mit abgesägten Hosen in der politischen Landschaft. Die Walliserinnen und Walliser werden in absehbarer Zeit mit grosser Mehrheit der Initiative „Gegen die Stahlriesen“ zustimmen.

In einem ersten Schritt sollten alle Stromleitungen zwischen Chamoson und Chippis als Wechselstromleitungen in die Erde verlegt werden.

Schritt 2: Verursacher sollen Kosten bezahlen

Die Verstärkung des Walliser Netzes ist nur notwendig, weil die Schweiz zu einer Strombatterie Europas werden will. Ob diese Spekulation aufgeht oder nicht, ist eine offene Frage.

Inzwischen stehen von der Universität St. Gallen mitgetragene Überlegungen im Raum, dass man das Potenzial der Walliser Wasserkraft nutzt, nicht um international Stromhandel zu trieben, sondern um die Schweiz sicher, autonom und halbwegs kostengünstig ohne Atomkraft mit Strom zu versorgen.

Wer – heutiger Stand der zu tiefen Kostenschätzungen – 1.4 Milliarden Franken in das Pumpspeicherwerk Nant de Drance investieren will, muss auch die Kosten der dadurch zu verstärkenden Stromleitungen tragen.

Wer mit neuen Pumpspeicherwerken von der Veredelung des Stroms – in welcher Variante auch immer - profitieren will, muss auch die Kosten der Verstärkung des heutigen Netzes tragen.

Der Kanton Wallis muss dies im Rahmen der ersten Revision der Bestimmungen in Sachen Strommarktöffnung fordern. Die Kommission müsste entsprechende Vorschläge unterbreiten.

Sonst bezahlen die Walliser Haushalte und Unternehmen die dem europäischen Strommarkt dienenden Kapazitätserhöhung selber mit.

Schritt 3: Runter mit den Zinsen für Investitionen

Je tiefer die realen Zinsen sind, desto günstiger schneiden erdverlegte Hochspannungsleitungen ab. Heute werden Investitionen in diesem Bereich wegen der fehlgeleiteten Strommarktöffnung mit einem Zinsaufschlag von 1.93 Prozent bestraft, obwohl es für die Swissgrid und ihre Aktionäre gar kein Risiko gibt. Denn die Schweiz wird immer ein Hochspannungsnetz brauchen.

Im Interesse des Kantons Wallis, im Interesse der Walliser Haushalte und Unternehmen muss dieses Geschenk an die Mittellandkantone als Eigentümer der Hochspannungsleitungen endlich korrigiert werden. Eine entsprechende Standesinitiative der Gebirgskantone drängt sich auf.

In den Berechnungen müsste diese Variante eingeführt werden, womit sich die Gewichte Balance noch weiter zugunsten der Erdverlegung verschieben würden.

 

Schritt 4: 20 Rappen sind realistisch

Verminderte Energieverluste sind ökonomisch gleich wertvoll wie alternativ produzierte Energie. Von daher muss man – angesichts des absehbaren Ausstieges der Schweiz aus der Atomenergie – bei allen Berechnungen mit 20 Rappen rechnen, da hier vorab Spitzenenergie durch Verminderung der Verluste produziert wird.

Es ist mehr als seltsam, wenn man über das KEV Preise von 40 und mehr Rappen bezahlen will und andererseits verhinderte Stromverluste nicht einmal zum halben Preis in der Rechnung berücksichtigt.

Schritt 5: Chamoson - Chippis seriös studieren

Professor Püttgen, der erwiesenermassen der Atomlobby nahesteht, ist - wie die bestehenden Atomkraftwerke - ein Auslaufmodell. Er versucht in seinen Stellungsnahmen – im Sinne jener, die seinen Lehrstuhl finanzieren – die Resultate der Studie zu beeinflussen.

Die Gemeinde Riniken schaffte vor Bundesgericht den Durchbruch nur deshalb, weil Professor Brakelmann mit konkreten Offerten die Gegenpartei faktisch und rechtlich schachmatt gesetzt hatte.

Von der Gemeinde Riniken lernen, heisst siegen lernen. Deshalb müssen Kommission und Staatsrat – so es ihnen denn ernst ist mit der Vertretung der Interessen des Wallis – Professor Brakelmann ein Mandat erteilen, damit er zusammen mit interessierten Unternehmen eine Unternehmer Richtofferte für den Abschnitt von Chamoson bis Creux-Chippis erstellt.

Wenn Kommission und Staatsrat diesen Auftrag nicht erteilen, verzögern sie die Realisierung der Netzverstärkung in diesem Bereich. Denn am 18. Mai 2011 wird bereits die kantonale Volksinitiative eingereicht nach deren Annahme der Staatsrat dies so oder so nachholen muss.

Seriös weiter arbeiten

Der Expertenbericht hat die bisherigen Aussagen von Alpiq und Co. als unhaltbare und die Öffentlichkeit irreführende Darstellung der Tatsachen entlarvt.

Die Kommission muss ihre Arbeit weiterführen und die aufgeführten Aspekte mit in die Abklärungen einbeziehen. In jedem Falle muss auch die Situation im Oberwallis näher untersucht werden. Wer die Übung jetzt abbricht, schadet den Interessen des Kantons.

Wir hoffen, dass der Bericht in vorgeschlagener Weise in eine definitive Form gebracht wird.

Besten Dank für die Kenntnisnahme.

Sozialdemokratische Partei Oberwallis (SPO)

Doris Schmidhalter-Näfen und Beat Jost

24. Feb 2015